Von Holz zu High-Tech: Die Evolution der Fahrradsättel
Genau wie das Fahrrad hat sich auch der Sattel stets mitentwickelt:
Während die allerersten Modelle noch aus Holz und Metall bestanden, wurden sie bald von Sitzen aus Leder und schließlich von Kunststoff abgelöst, die durch eine Polsterung mehr Komfort ermöglichten.
Die Erfindung des Fahrradsattels wird dem Briten John Boultbee Brooks gegen Anfang der 1880er Jahre zugeschrieben, der nach dem Tod seines Pferdes auf das Fahrrad als Beförderungsmittel umstieg. Nach einem schmerzvollen Rítt auf dem Holzsattel beschloss der Sohn eines Sattlermeisters, sich der Entwicklung eines komfortableren Sitzes zu widmen und konstruierte einen ab 1888 im Handel erhältlichen, ergonomischen Sattel mit Polster, Federung und einem Bezug aus Schweine-, Kuh- oder - in der Luxusausführung - Krokodilhaut.
Nach wie vor ist gerade bei Retro-Bikes der klassische Ledersattel in Vintage-Optik mit Ziernieten sehr beliebt: Ein Sattel aus Leder passt sich beim Einfahren mit der Zeit ideal an die körpereigene Autonomie an und hat bei der richtigen Pflege eine sehr lange Lebensdauer. Zur Edwardianischen Periode in Großbritannien gab es kurios anmutende Designs aus geflochtener Schnur. Das Flechtwerk diente als Sitzfläche, die mit Spannfedern in einen Metallrahmen eingehängt wurde.
Moderne Sättel bestehen üblicherweise aus einem Kern aus PU-Schaum oder Gel mit einem wetterbeständigen Kunststoff-Überzug. Es gibt aber auch außergewöhnliche Formen mit Waben- oder Rippenkonstruktion. Diese Bauweisen absorbieren Stöße, sind ebenfalls anpassungsfähig und schwingen bei der Bewegung mit. Im Bereich Rennrad gibt es Sättel, die komplett aus leichtem Carbon bestehen. Das Sattelgestell ist meistens aus Stahl, bei höherpreisigen Modellen auch aus Carbon oder Titan.
Rund, weich, flach, hart - durch den Formendschungel zum Komfort
Je nach Fahrradart und Fahrstil ist eine entsprechende Sattelart sinnvoll, schließlich ruht beim Fahrradfahren beinahe das ganze Körpergewicht auf dem Gesäß, das damit stark belastet wird.
Sitzt man eher sportlich und nach vorne gebeugt, also mit gekipptem Becken, auf dem Mountainbike oder Rennrad, bietet sich ein schmaler, ungefederter Sattel an, an den sich die eng stehenden Sitzknochen anpassen können ohne den Kontakt zu verlieren. Bei Sprüngen mit einem MTB ist eine lange Sattelnase von Vorteil, um das Bike sicher zwischen den Beinen zu halten und einen stabilen Sitz zu ermöglichen.
Auf einem Citybike oder Hollandrad nimmt man eine aufrechte Haltung ein, um den Verkehr besser überblicken zu können. Hier sind die Fahrradsättel in der Regel breiter, um eine größtmögliche Kontaktfläche für die Sitzknochen zu bieten und verfügen über eine Federung oder eine gefederte Sattelstütze, um Stöße vom Boden, die senkrecht auf Rücken und Hüfte wirken, entsprechend ausgleichen zu können.
Ein Citysattel mit weichem Polster oder ein Gelsattel ist für längere Trekking Strecken oder gar beim Fahren im Gelände nicht empfehlenswert: Sinkt der Sitzknochen zu weit ein, erhöht das den punktuellen Druck und kann zu Schmerzen führen. Hier eignet sich ein straffer Sattel besser. Nach kurzer Zeit gewöhnt sich der Körper meistens auch an die härtere Polsterung.
Ein Fahrradsattel mit Loch oder Schlitz, der sogenannten Entlastungsöffnung oder Cutout, soll dem Druck und Taubheitsgefühlen auf den empfindlichen Dammbereich entgegenwirken. Der Druck wird in Richtung Öffnung abgeleitet. Ein flacher, ebener Sattel eignet sich ebenfalls gut zur Entlastung des Damms und des Genitalbereichs. Eine nach außen abgerundete Form passt zu ausgeprägteren Beckenknochen. Je nach Beckenform empfinden manche Menschen einen Sattel mit T-Form oder V-Form als angenehmer, einige verzichten sogar ganz auf die Sattelnase, da dies mehr Bewegungsfreiheit für die Oberschenkel ermöglicht.
Wie finde ich den richtigen Sattel?
Um einen bequemen Sattel für die individuelle Anatomie zu finden, gibt es die Option einer Satteldruckmessung. Mithilfe einer speziellen Messfolie wird der Druck auf Nerven, Knochen und Blutbahnen analysiert. Die Sitzknochenbreite kannst du aber auch einfach selbst messen: Setze dich auf ein Stück Wellblechpappe und messe den Abstand zwischen den eingedrückten Stellen. Das Lineal legst du dabei an den Außenkanten der Vertiefungen an. Je nachdem, ob du eine gebeugte oder aufrechte Position auf dem Fahrrad oder E-Bike bevorzugst, rechnest du noch einige Zentimeter dazu. Sitzt du aufrecht, addierst du 4 cm, bei einer leicht gebeugten Haltung 1-3 cm.
Im Fazit lässt sich sagen, dass Fahrradsättel eine höchst individuelle Komponente des Radfahrerlebnisses sind. Trotz zahlreicher Innovationen und verschiedener Formen bleibt die persönliche Erfahrung der ultimative Richtungsgeber. Ein Sattel ist mehr als nur eine Stütze – er ist eine Verbindung zwischen dir und dem Fahrrad.
Wie du deinen Sattel richtig einstellst, erfährst du in diesem Beitrag.
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